Ambulantisierung

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    Ambulantisierung: Geordnete Reform statt kalter Strukturbereinigung

    lau/cmk/aerzteblatt.de, 07.07.2022

    Berlin – Die Ambulantisierung der stationären Versorgung wird in regionalen Strukturen mit spürbaren Ver­werfungen einhergehen, insbesondere auch mit möglichen Krankenhausschließungen. Wichtig sei deshalb, den Prozess strukturiert anzugehen und einen kalten Strukturwandel zu verhindern. Das forderte der Vor­standsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, gestern bei einer Tagung von RS Medical Consult in Berlin.

    Gaß plädierte dafür, realistisch zu sein, aber den Krankenhäusern dennoch einen geordneten Übergang zu ermöglichen. „Die DKG tritt nicht dafür an, um um jedes Krankenhaus einen Schützengraben zu bauen. Wir stehen für einen konstruktiven Strukturwandel“, erklärte er. „Ich werbe dafür, den Krankenhäusern die Chance zu geben, sich in einem Konversionsprozess darauf einzustellen, statt alles direkt in den Wettbewerb zu werfen.“

    Der Wettbewerb mit den Praxiskliniken würde weniger in ländlichen Räumen stattfinden als in den Groß­städten. „Wir haben überhaupt keine Lust darauf, um die Patienten der Niedergelassenen zu werben.“ Auch deshalb müsse die Ambulantisierung als geordneter Prozess mit staatlicher Unterstützung aufgebaut werden.

    „Wir brauchen ein Investitionsprogramm dafür, dass Krankenhäuser diesen ambulant-stationären Bereich auf­bauen“, forderte er. Dabei müsse ein Schlussstrich unter die bisherige, ungeordnete Vorgehensweise gezogen werden. So gebe es zwischen Bund und Ländern keine Vereinbarung, wie die Versorgung in zehn Jahren aus­sehen solle. Man müsse jedoch klare Zielstellungen und Vorgehensweisen definieren, wenn man endlich vorankommen wolle.

    „Was wir uns wünschen, ist, dass Bund und Länder – die beide Kompetenzen im Krankenhausbereich haben – sich zusammensetzen“, erklärte Gaß. Dabei müssten sie sich auf gemeinsame Orientierungsgrößen einigen, den Ländern aber ihre Zuständigkeiten erhalten. Denn man könne nicht in Berlin einen Generalplan für die gesamte Bundesrepublik machen.

    „Das Dilemma ist: Wir haben seit vielen Jahren ein Durchwurschteln und das führt zu den Verhältnissen, vor denen wir nun stehen“, erklärte Gaß. „Wir stehen vor gewachsenen Strukturen und müssen einen kalten Struk­turwandel befürchten.“ Der anstehende Reformprozess sei deshalb auch „eine Chance, etwas Struktur in unseren unstrukturierten Bereich zu bringen“.

    Dass der Bedarf nach einer stärkeren Auslagerung bisher stationär erbrachter Leistungen besteht, sei auch bei der DKG unstrittig. „Ambulantisierung ist aus unserer Sicht das Zukunftsthema“, sagte Gaß. „Wir müssen sehen, wie wir das steigende Versorgungsbedürfnis der Bevölkerung mit stabilen Beitragssätzen in Einklang bringen. Ambulantisierung kann da einen wichtigen Beitrag leisten.“

    „Wir brauchen keine kalte Strukturbereinigung“

    Das Problem dabei sei nicht, dass zu wenig Geld im System sei, sondern dass es falsch eingesetzt werde. Da stimmte ihm Josef Hecken zu. Der Unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) beklagte, dass das deutsche Gesundheitssystem im Vergleich zu anderen Industrienationen nur einen mittel­mäßigen Output im Verhältnis zum Input realisiere. Es gehe schlicht zu viel Geld durch suboptimale Organisa­tionsstrukturen verloren.

    Auch er plädierte dafür, die Krankenhäuser konstruktiv zu begleiten. „Wir brauchen keine kalte Strukturbereini­gung, sondern einen kontrollierten Übergang“, sagte Hecken mit Blick auf die mögliche Konkurrenz zwischen Krankenhäusern und Praxiskliniken. „Wenn wir das Ding an die Wand fahren wollen, müssen wir den Wett­bewerb der Tüchtigen eröffnen und die Krankenhäuser dabei nicht unterstützen.“

    Es müsse deshalb eine Generalinventur der Leistungen durchgeführt werden, um zu schauen, was man als vor-, nach- oder teilstationäre Behandlung erbringen könne, was von spezialfachärztlichen Ambulanzen über­nommen werden könnte und so weiter. Es sei notwendig, diese Prozesse stufenweise umzusetzen, erklärte Hecken. „Allzu viel Hoffnung habe er allerdings nicht, räumte er ein. „Planvolles Handeln zeichnet die aktuelle Regierung nicht aus.“

    Dem würde Boris Augurzky nur bedingt zustimmen, sitzt der Leiter des Bereichs Gesundheit am Leibniz-Insti­tut für Wirtschaftsforschung doch in der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach berufenen Kranken­hauskommission die für ebensolche geordnete Strukturreformen Vorschläge erarbeiten soll. „Ich glaube, wir können für das Krankenhaus eine neue Rolle definieren“, erklärte er.

    Er denke an Konzepte wie ambulante Großkliniken. „Ich glaube, auch die Niedergelassenen müssen wir ein bisschen bündeln, um die knappen Ressourcen richtig zu nutzen und den wachsenden Bedarf nach Teilzeit­tätig­keit zu begegnen.“

    Dabei stützte Augurzky Gaß’ Auffassung von der wichtigen Rolle der lokalen Politik und ging noch weiter: „Dass wir bundesweit eine DRG und einen Preis haben, ist eigentlich unökonomisch“, sagte er. Man werden sich nicht nur über die diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) allgemein Gedanken machen müssen, sondern auch über Fragen wie Vorhaltefinanzierung und lokale DRG.

    Davon und von der wichtigen Rolle der Lokalpolitik zeigte sich Thomas Mansky, Bereichsleiter Gesundheits­politik beim IGES-Institut, wenig überzeugt. „Wenn ich ein Bürgermeister in einem kleinen Ort bin, betrachte ich das Krankenhaus doch auch nicht aus medizinischer Sicht, sondern als den größten Arbeitgeber vor Ort, den ich noch dazu nicht einmal selbst finanzieren muss.“

    Ein kleines Krankenhaus erziele etwa zehn Millionen Euro Umsatz, ein ambulantes Zentrum vielleicht drei bis vier Millionen. Es sei offensichtlich, dass bei einer solchen Umwandlung auch Arbeitsplätze verloren gehen, samt der negativen Sekundäreffekte wie der Schließung weiterer Gewerbeeinheiten.

    Um die regional unterschiedlichen Verhältnisse zudem in der Vergütung abzubilden, schlage er sogenannte komplex-ambulante DRG vor, die niedriger als stationäre DRG vergütet werden. Dabei müsse man darauf ach­ten, keine Fehlanreize zu schaffen.

    „Es kann nicht Sinn und Zweck der Ambulantisierung sein, nach DRG zu bezahlen“, betonte Johannes Wolf, Referatsleiter Krankenhausvergütung beim GKV-Spitzenverband demgegenüber. „Der Maßstab für ambulante Leistungen ist der EBM und er sollte entsprechend herangezogen werden, aber eben differenzierter als bisher.“

    KBV schlägt zwei Weiterentwicklungsstufen vor

    Bernhard Gibis von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) plädierte dafür, die strikte Trennung zwi­­schen ambulant und stationär bezüglich der Nachtgrenze aufzuheben. Die Aufteilung „über Nacht ist stationär und tagsüber ambulant“, sei nicht mehr sinnvoll. Stattdessen wären die verlängerte Nachbeobachtung und Hybrid-DRGs künftig wichtig.

    Dafür sei aber ein stabiler Finanzierungssockel gefordert, der durchfinanziert und nicht abhängig von einzel­nen Kassen und Selektivverträgen sei, so Gibis. „Wir reden aber nicht nur von einfachen Eingriffen die ambu­lant durchgeführt werden sollen, sondern auch von komplexen Eingriffen. Gerade auch die Themen Nachbe­ob­achtung und Komplexversorgung werden uns in den nächsten Jahren beschäftigen“, so Gibis.

    Die KBV schlägt Gibis zufolge ein zweistufiges Weiterentwicklungsmodell vor. In einem ersten Weiterentwick­lungsschritt sollte eine Übernachtung künftig zur ambulanten Behandlung gehören. In einem zweiten Schritt könnte die Überbrückungszeit zwischen 24 Stunden und 72 Stunden als Hybrid-DRG mit ausgewiesenem ärzt­lichem Anteil sowie einer Teilnahmeoption für Vertragsärzte behandelt werden. Ab einer Liegedauer von 72 Stunden und länger würden Fälle als vollstationär abgerechnet. Diese Definition folge auch internationa­len Regelungen, sagte Gibis.

    Die Einführung dieser Weiterentwicklung laufe bereits auf mehreren Schienen, so Gibis. Etwa bei der geplan­ten Neureformierung des Paragrafen 115 Sozialgesetzbuch (SGB) V zu den dreiseitigen Regelungen zwischen Krankenkassen, Krankenhäusern und Vertragsärzten. Auch in Gesprächen mit der DKG werde derzeit über diese Möglichkeiten gesprochen. Und zuletzt beschäftige sich auch die Krankenhauskommission mit diesem Thema, die für die Bundesregierung Empfehlungen für Grundlagen der Krankenhausreformen ab 2023 erar­beitet.

    Rechtliche Hürden auf dem Weg zur Ambulantisierung

    Auf die rechtlichen Besonderheiten wies die Fachanwältin für Medizinrecht, Anke Hübner, hin. Es ergäben sich einige rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Erweiterung des Katalogs für ambulant durch­führbarer Operationen, so Hübner. Das Bundessozialgericht (BSG) hatte erst Ende April entschieden, dass Krankenhäuser wesentliche Leistungen ihres Versorgungsauftrags nicht auf Dritte auslagern dürfen.

    Konkret hatte ein Krankenhaus in Baden-Württemberg eine an Brustkrebs erkrankte Versicherte während ihrer stationären Behandlung an eine nah gelegene Strahlentherapiepraxis überwiesen, die die strahlenthera­peu­tische Leistung erbrachte. Das Krankenhaus wollte aber bei der Krankenkasse die Leistung entsprechend abrechnen, die Kasse verweigerte hingegen die Zahlung.

    In der Pressemitteilung vom 27. April erklärte das BSG dazu: „Zwar können Krankenhäuser auch Leistungen Dritter abrechnen, die für Behandlungen von ihm veranlasst wurden. Das Gesetz erlaubt es jedoch nicht, dass das Krankenhaus wesentliche der von seinem Versorgungsauftrag umfassten Leistungen regelmäßig und planvoll auf Dritte auslagert, die nicht in seine Organisation eingegliedert sind.“ Laut Hübner könne es folg­lich darauf verstärkt ankommen, ob der personelle Einsatz von Dritten bereits ohnehin in das Krankenhaus eingegliedert sei.

    Weiter habe das Krankenhaus laut BSG-Entscheidung für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der Leistung vorzuhalten. Dieses Urteil werde damit auch auf die Debatte zur Ambulantisierung noch Folgen haben, meinte Hübner. Sie sei nun ge­spannt auf die Urteilsgründe, die die Entscheidung näher erläutern. Diese werden ab Ende Juli erwartet, so Hübner. Die Entscheidung des BSG könne aber erneut zu Unruhen und Abrechnungsstreitigkeiten bei den Krankenhäusern führen.

    Hübner berichtete außerdem von „enormen Widerständen“, die niedergelassene Ärzte erfahren würden, wenn sie etwa im Rahmen der besonderen Versorgung nach Paragraf 140a SGB V entsprechende Verträge mit den Krankenkassen abschließen wollen. Hier seien die Verhandlungen um die Vergütung mit den Kassen sehr schwierig und die Ermächtigung vom Zulassungsausschuss sei auch schwer zu erhalten, so Hübner. Sie sehe zwar Bemühungen bei allen Leistungserbringern, den Fokus stärker auf die ambulante Versorgung zu setzen. Allerdings gebe es noch zu viele rechtliche Hürden.

    Der Gesetzgeber sei deshalb aufgefordert, Möglichkeiten und Grenzen der Kooperation zwischen Kran­ken­häusern und anderen, insbesondere ambulanten Leistungserbringern näher zu regeln, betonte Hübner. Man­che Bundesländer hätten diese Probleme auch eher auf dem Schirm als andere. Im Krankenhausplan von Baden-Württemberg würde die gemeinsame Nutzung von Strahlentherapiegeräten verankert sein, in Bayern sei dies aber etwa nicht der Fall, erklärte Hübner.

     

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  • Bekommen die Krankenhäuser einen „Schutzzaun“?

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    Forum zur Ambulantisierung:

    Bekommen die Krankenhäuser einen „Schutzzaun“?

    am, änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG, 06.07.2022

    Niedergelassene Ärzte könnten bei Hybrid-DRG zunächst außen vor bleiben. Das zeichnete sich beim Expertenforum Ambulantisierung am Mittwoch in Berlin als Mehrheitsmeinung ab.

    Einhellig vertraten die Referenten am Vormittag die Auffassung, dass die Ambulantisierung in mehreren Stufen erfolgen müsse. Der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Dr. Gerald Gaß forderte, dass bestimmte neue ambulante Leistungen für einen ersten Übergangszeitraum Krankenhäusern vorbehalten bleiben sollten. Das sei nicht aus Versorgungsgründen nötig, sondern um den Wandel der Krankenhauslandschaft zu gestalten. „Wenn die Politik und die Krankenkassen diesen Weg gehen, dann ist das die Chance zu einer geordneten Weiterentwicklung unseres Systems“, sagte er bei der Tagung „Ambulantisierung“ von RS Medical Consult.

    Bund und Länder müssten sich auf gemeinsame Ziele verständigen und grundsätzliche Orientierungvorgaben vorlegen, forderte Gaß. Bei den neuen ambulanten Leistungen, die mit Hybrid-DRGs vergütet werden könnten, erwartet er einen großen Wettbewerb mit gut ausgestatteten Praxiskliniken. „Aber ich werbe dafür, den Krankenhäusern die Chance zu geben, sich in diesem Bereich aufzustellen und nicht von vornherein den Wettbewerb zu eröffnen“, sagte er. Krankenhäuser könnten nicht mit der gleichen Effizienz ambulante Versorgung leisten wie die Niedergelassenen. Deswegen bräuchten sie Zeit, um ihre Chancen zu entwickeln. Nötig sei zudem ein Investitionsprogramm dafür, das Krankenhäuser diesen klinisch-ambulanten Leistungsbereich aufbauen. Der DKG-Chef unterstrich: „Wir haben überhaupt kein Interesse daran, den niedergelassenen Ärzten ihre Patienten abzuwerben.“

    Hecken vermisst „planvolles Regierungshandeln

    Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) Professor Josef Hecken unterstützte Gaß‘ Forderungen. Er plädierte dafür, „jetzt nicht alles in Praxiskliniken zu machen, sondern einen geordneten Übergangsprozess in Gang zu setzen“. Zu diskutieren sei, wie lange der Schutzzaun für die Krankenhäuser gelten könne.

    Bislang werde Krankenhausplanung in Deutschland völlig irrational diskutiert, sagte Hecken. Scharfe Kritik übte er an der Regierungskommission für die Krankenhausreform. „Was da am Ende des Tages herauskommt, wissen wir wahrscheinlich alle“, sagte er. Es gebe kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit.

    „Planvolles Regierungshandeln zeichnet im Moment die Politik nicht aus“, so Hecken später, wobei er betonte, dass er das parteiunabhängig meine. Nötig sei ein abgestimmtes Handeln zwischen Bund und Ländern. Die beste Möglichkeit die Länder mitzunehmen sei, Bundesmittel in die Hand zu nehmen und sie an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, so der G-BA-Chef. Entscheidend für die nächsten Schritte in der Ambulantisierung ist aus Heckens Sicht, wie man die Hybrid-DRGs definiert. „Wir sind alle für Hybrid-DRGs, nur jeder hat eine andere Vorstellung“, sagte Hecken. Das Ergebnis dieser babylonischen Sprachverwirrung sei aus dem Geschichtsunterricht bekannt.

    Albrecht: IGES-Vorschlag schafft kein Bürokratiemonster

    Die Autoren des IGES-Gutachtens zum neuen AOP-Katalog, Dr. Martin Albrecht und Professor Thomas Mansky, verwiesen darauf, dass im europäischen Ausland Ambulantisierung als krankenhausinterner Prozess verstanden werde. Die im Gutachten vorgeschlagenen neuen ambulanten Leistungen, die bisher mit DRG abgebildet wurden, seien vor allem fallzahlstarke DRGs ohne medizinisch dominante Prozedur, etwa zur Abklärung von Notfällen, erläuterte Albrecht. „Das kann man nicht allein mit dem AOP-Katalog lösen“, sagte er unter Verweis auf die ebenfalls anstehende Notfallreform.

    Der neue AOP-Katalog sei als lernendes System gedacht. „Deswegen empfehlen wir eine stufenweise Umsetzung, wo die Fachgesellschaften noch einmal zu Wort kommen können und wo wir datenbasiert weiterentwickeln können.“ Den Vorwurf, dass die Fachgesellschaften Ambulantisierung grundsätzlich ablehnen würden, könne er nicht bestätigen.

    Albrecht trat auch dem Vorwurf entgegen, dass der Vorschlag zur kontextabhängigen Entscheidung über ambulante oder stationäre Leistungserbringung bei bisherigen DRG-Leistungen ein Bürokratiemonster mit fallindividueller Prüfung schaffe. „Das sehen wir nicht so. Die nötigen Daten sind alle in der Standarddokumentation vorgesehen“, sagte er. Die Lösung soll „eine umfassende Ambulantisierung bei gleichzeitiger Wahrung der Patientensicherheit“ ermöglichen.

    Mansky hält klinikinterne Ambulantisierung für einfacher

    Co-Autor Mansky unterstrich, dass der internationale Vergleich im Rahmen des IGES-Gutachtens Vorteile für eine rein krankenhausinterne Ambulantisierung ergeben habe. „Eine rein krankenhausinterne Ambulantisierung wäre viel einfacher, als sie es nach den gesetzlichen Vorgaben ist“, sagte er. Wenn anfangs für eine ambulante Behandlung die gleiche Vergütung wie für eine stationäre Behandlung vorgesehen sei, könnten die Frontrunner zunächst Gewinne erwirtschaften, sagte Mansky. Eine Kontextprüfung um unnötige stationäre Fälle auszuschließen sei dann auch nicht nötig.

    Klinikintern erfolge Ambulantisierung in Österreich, Dänemark und Großbritannien. Die externe Ambulantisierung in den USA hat nach Manskys Schilderungen zahlreiche Nachteile. Das System sei dadurch nicht billiger geworden. Bei Wachstumsraten von sieben Prozent pro Jahr im Bereich der Ambulatory Surgery Centers (ASC) sei zudem „klar, dass da Investoren Interesse entwickeln“. Mansky prognostizierte: „Es wird daher in Deutschland vorerst bei der Zwangsambulantisierung bleiben.“

    Zwei Anforderungen müsse der Prozess erfüllen: „Rosinenpickerei muss sich vermeiden lassen und erfassbare Kriterien für stationäre Notwendigkeit müssen enthalten sein“. Dabei entkräftete Mansky jedoch den Vorwurf, rentable Praxiskliniken würden sich die lukrative Fälle herauspicken: „Arztpraxen sind teilweise einfach besser organisiert und besser ausgelastet. Das ist nicht alles Rosinenpicken“, sagte er.

    Augurzky fordert drei Stufen für „komplex-ambulante DRGs“

    Während das IGES-Gutachten die Vergütung ausdrücklich und auftragsgemäß ausklammert, stellte Professor Boris Augurzky, Autor des Krankenhaus Rating Reports, einen Vorschlag zur Gestaltung „ambulantkomplexer DRGs“ vor. „Das Vergütungssystem ist das A und O“, sagte er. Der EBM allein sei keine Lösung. „Denn selbst die Niedergelassenen sagen, dass manche Leistungen im EBM nicht ausreichend bezahlt sind.“

    Augurzkys Modell sieht drei Stufen zwischen ambulantem EBM und stationärer DRG vor, die an verschiedene Voraussetzungen bei Infrastruktur und Personal geknüpft sind. Das InEK hat im Bereich der Gastroenterologie drei dieser komplex-ambulanten DRGs kalkuliert. Augurzkys Vergütungsmodell sieht vor, dass die Differenz zwischen dem DRG-Entgelt für Ein-Tages-Fälle und der Neukalkulation im ersten Jahr zu 125 Prozent erstattet wird, um Anreize zu setzen. Anschließend soll die Erstattung in einer fünfjährigen Konvergenzphase abgebaut werden.

    GKV will Hybrid-DRGs nur für ehemalige Krankenhausfälle

    Nach den Vorstellungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sollen Hybrid-DRG für bislang rein stationäre Leistungen gelten, die Krankenhausstrukturen oder vergleichbare vertragsärztliche Leistungen erfordern. Im Unterschied zu den Leistungen des AOP-Katalogs sollten sie vornehmlich von Krankenhäusern erbracht werden, forderte Johannes Wolff, Referatsleiter Krankenhausvergütung im GKV-Spitzenverband. Diese Hybrid-DRG kommen Wolff zufolge vor allem für Leistungen infrage, bei denen die Kurzliegerfälle im Krankenhaus die Regelfälle sind. Das sind nach seinen Angaben fast zwei Millionen Fälle. Ein Teil davon sei heute schon im AOP-Katalog abgebildet. Ein großer Teil aber nicht. Diese seien meist notfallnah. „Die Ambulantisierung dieser Leistungen muss als Prozess erfolgen“, sagte Wolff. Alle Fälle unter drei Tagen könnten in den Bereich der Hybrid-DRG fallen.

    Auch die Krankenkassen sind sich jedoch bewusst, dass der Prozess nicht in Gang kommt, solange positive Anreize fehlen. „Es mangelt nicht an Möglichkeiten. Es hilft auch nichts, dass wir den Katalog größer machen“, sagte Wolff. Auch Sanktionen allein würden nichts bewirken. Was noch fehle sei der Mechanismus. „Eine pauschale Vergütung belohnt ambulante Leistungserbringung.“

     

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  • Runter von der Station - aber wie?

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    Runter von der Station – aber wie?

    Ambulantisierung: Experten diskutieren über Anreize und Vergütung

    OPG - Operation Gesundheitswesen, pag Presseagentur Gesundheit GmbH, 11.08.2022

    Berlin (opg) – Das IGES Institut identifiziert in einem Gutachten ein deutliches höheres Potenzial für ambulante Operationen (AOP). Auf Basis dieser Studie feilen GKV-Spitzenverband (GKV-SV), Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) derzeit an der Überarbeitung des AOP-Katalogs. Auf einem Forum von RS Medical Consult im Juli beschäftigen sich Experten unter anderem mit der Frage der Vergütung und Ambulantisierungs-Anreizen.

    Dr. Gerald Gaß schwebt eine Art Initialisierungsfonds vor, der Krankenhäuser ermutigt, sich ins ambulante OP-Business zu wagen. Skepsis herrscht beim DKG-Vorstandsvorsitzenden allerdings, wenn aus diesem Fördertopf auch jetzt schon ambulante Einrichtungen wie etwa OP-Zentren Mittel bekämen. Kooperationen oder Abstimmungen kann er sich gut vorstellen. Was seiner Meinung nach nicht passieren darf: „Wir machen eine Ausschreibung und der Billigste kriegt den Zuschlag.“

    Die Auffassung, dass Ambulantisierung einer großen Krankenhausstrukturreform Vorschub leisten kann, teilen die Referenten. Dass sich dringend etwas ändern muss, begründet Prof. Thomas Mansky, ein Autor des IGES-Gutachtens, fiskalisch und demografisch. „Wir haben kein Geld und wir haben kein Personal.“ Derzeit würden Strukturen finanziert, „die wir nicht brauchen“. Doch kaum jemand habe den Mumm, nachdrücklich zu sagen, dass man Krankenhäuser schließen muss. Das sei aber notwendig. Dabei gehe es gar nicht um die Kliniken auf dem Land. Das Problem bestehe in Ballungsgebieten, Beispiel Berlin mit seinen über 60 Krankenhäusern. Selbst bei einer verstärkten Ambulantisierung müsse aber klar sein. „Die schweren Fälle bleiben im Krankenhaus und dort müssen wir sie vergüten.“

    „Ambulante Großkliniken“

    Strukturen für mehr ambulantes Operieren müssten allerdings noch geschaffen werden. „Aktuell schlagen viele Fälle im Krankenhaus auf, da kein adäquates niederschwelliges Angebot zur Verfügung steht“, hält Dr. Bernhard Gibis, Leiter Sicherstellung und Versorgungsstrukturen bei der KBV, in seinem Vortrag fest. Die KBV macht sich für Intersektorale Gesundheitszentren mit erweiterter ambulanter Versorgung stark. Der Gesundheitsökonom und Mitglied der Krankenhaus-Regierungskommission Prof. Boris Augurzky geht in eine ähnliche Richtung und schlägt „ambulante Großkliniken“ vor. Die Frage der Vergütung ambulanter Leistungen, die vorher stationär waren, gehe seiner Meinung nach mit anderen Fragen wie der Vorhalte- und Investitionsfinanzierung einher. Augurzkys Idee: Jeder Region stünde ein Budget zur Verfügung, über das sie verfügen kann, aber auch die Verantwortung trägt. Ganz wichtig: „Es muss am Ende ein Deckel drauf.“ 

    Wie in der Sesamstraße

    Durch Vorhaltefinanzierung sei gewährleistet, dass gewisse Stationen wie etwa die Geburtshilfe oder Kinder- und Jugendmedizin bei einer fortschreitenden Ambulantisierung nicht dahindarben, sagt Johannes Wolff, Referatsleiter Krankenhausvergütung beim GKV-Spitzenverband. Es muss aber das „Sesamstraßen“-Prinzip gelten: „Wer macht was wo und in welchem Umfang“. Der Bund könnte einen entsprechenden Rahmen setzen.

    Müsste er vielleicht auch, findet Mansky. „Mein Glaube an die regionale Lösungsebene ist nicht mehr sehr groß.“ Denn Krankenhäuser würden vom Bürgermeister nicht medizinisch betrachtet, sondern eher wirtschaftlich – als größter Arbeitgeber in der Region.

    Zwar sitzen die drei Partner der Selbstverwaltung gerade an der Erweiterung des AOP-Katalogs, doch auch die Ampelregierung will den Vorsatz „ambulant vor stationär“ laut Koalitionsvertrag vorantreiben. Ist vielleicht ein Ambulantisierungsstärkungs- oder beschleunigungsgesetz notwendig? Der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen wünscht sich zumindest ein bisschen mehr Tempo, wie er bereits Ende Juni vor Journalisten sagt, notfalls müsse die Politik nachhelfen. An diesem Punkt sei man aber noch nicht, meint Gassen: „Noch kann der Gesetzgeber abwarten.“

     

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  • Sektorenübergreifende Vergütungsmodelle Hybrid DRGs

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    Ambulante Krankenhausbehandlung gegen drohenden Versorgungsmangel

    Von Carsten Hoefer, dpa, 06.07.2022

    Wenn Arztpraxis und Krankenhaus gleichzeitig schließen, ist die medizinische Versorgung in Gefahr. Dieses Szenario droht ländlichen Regionen. Kliniken wollen und sollen in Zukunft mehr ambulant behandeln, doch vor allem brauchen sie mehr Geld.

    München/Berlin (dpa) - Zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung auf dem Lande werden Krankenhäuser nach Einschätzung von Fachleuten verstärkt ambulante Behandlungen anbieten müssen. Die traditionelle Abgrenzung zwischen ambulanter Versorgung in der Arztpraxis und stationärer Versorgung müsste dafür nach Einschätzung von Fachleuten und Krankenhäusern in Teilen schwinden. Doch ungeklärt sind die finanziellen Auswirkungen für die Krankenhäuser, von denen viele nach zwei Corona-Jahren in großer Bedrängnis sind.
    «Wir brauchen auf dem Land eine solide Basisversorgung, die häufig durch gute ambulante Angebote gewährleistet werden kann, ergänzt um pflegerische Angebote und vernetzt mit den Spezialisten in den Zentren», sagt Boris Augurzky, Leiter des Bereichs Gesundheit am Wirtschaftsforschungsinstitut RWI Essen und Mitglied der Regierungskommission Krankenhaus des Bundes. «Wichtig wird zudem die telemedizinische Anknüpfung der ländlichen Angebote an medizinisches Know-how in den Zentren.»
    Thema ist das an diesem Mittwoch bei einem hochkarätig besetzten Expertenforum des Tagungsveranstalters RS Medical Consult in Berlin. Eine Zukunftsvision: «Manche kleine Klinik könnte dabei ihre Rolle komplett ändern», sagt Augurzky. «Weg von der stationären Versorgung, hin zu einer ambulanten Großklinik mit telemedizinischer Andockung an Zentren, gegebenenfalls ergänzt um Überwachungsbetten und Kurzzeitpflege.»
    Das Schlagwort lautet «Ambulantisierung». Auf die Fahnen geschrieben hat sich das auch die Berliner Bundesregierung. Das Durchschnittsalter niedergelassener Ärzte in Deutschland liegt bei Mitte 50. Die Kliniken sind willig: «Dies hätte beispielsweise den Vorteil, das nur begrenzt verfügbare Fachpersonal, insbesondere in der Pflege, auf die Patientinnen und Patienten mit höherem Pflegebedarf im stationären Bereich zu konzentrieren», sagt Henriette Neumeyer, Vize-Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Im April empfahl ein verbandsübergreifendes Gutachten eine umfangreiche Erweiterung des sogenannten AOP-Katalogs für ambulantes Operieren.
    Doch auch in Zukunft wird nicht jeder mit einem Schnupfen zur Krankenhaus-Sprechstunde gehen können. «Viele heute stationär erbrachte Fälle könnten auch ambulant erbracht werden; ich rechne mit rund 20 Prozent», sagt Augurzky. «Es dürfte sich dabei aber um komplexere ambulante Fälle handeln, die aufwendiger sind und für die im Fall von Komplikationen die Gerätschaften, das Fachpersonal und die Betten des Krankenhauses genutzt werden können.»
    Zumindest manche Häuser hoffen, mit der Ambulantisierung ihre Finanzlage aufbessern zu können, nach der einfachen Formel: mehr Patienten gleich höhere Einnahmen.
    Die Hoffnungen der Krankenkassen gehen allerdings genau in die entgegengesetzte Richtung: Wenn die Kliniken mehr ambulant behandeln dürften, müssten sie auch weniger operieren. Kassenvertreter werfen den Krankenhäusern seit Jahren vor, ihre Patienten viel zu häufig zu operieren - denn Operationen bringen Umsatz.
    Augurzky und die DKG weisen daher darauf hin, dass die Ambulantisierung die Kassenlage der Kliniken nicht unbedingt verbessern würde.
    «Sie müssen stationäre Kapazitäten reduzieren, eine ambulante Infrastruktur aufbauen», sagt Augurzky. «Und vor allem muss das Krankenhauspersonal, das dort ambulant arbeitet, umdenken, das heißt nicht mehr "stationär" denken, was zu hohen Kosten führen kann.» Augurzky empfiehlt daher eine Kooperation zwischen Krankenhaus und niedergelassenen Ärzten.
    «Inwieweit mehr ambulante Behandlungsmöglichkeiten die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser verbessern würden, lässt sich dabei nicht pauschal beantworten und hängt maßgeblich von den begleitenden Rahmenbedingungen ab», sagt auch die DKG-Vizevorsitzende Neumeyer.
    Die im Mai vorgestellte Regierungskommission soll ausdrücklich Einsparmöglichkeiten untersuchen: «Das Ambulantisierungspotenzial bisher unnötig stationär erbrachter Leistungen ist auch Gegenstand der Regierungskommission Krankenhaus», erklärt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Berlin.
    Unbestritten ist, dass die finanzielle Lage vieler Häuser schlecht ist. Rund 60 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland rechneten für das vergangene Jahr mit wirtschaftlichen Verlusten, sagt Neumeyer.
    Die hohe Inflation hat die finanzielle Notlage der Kliniken noch verschärft, da Strom, Lebensmittel und Medizinprodukte gleichermaßen teurer geworden sind. Sie sollen nach politischer Vorgabe zwar wirtschaftlich arbeiten, können aber anders als ein Unternehmen ihre Preise nicht eigenständig erhöhen.
    «Wir benötigen jetzt kurzfristig einen deutlichen Inflationsausgleich, um die Krankenhäuser arbeitsfähig zu halten», sagt Neumeyer. Die Politik müsse die Krankenhäuser finanziell für erneut stark steigende Corona-Fallzahlen im Herbst wappnen.
    So geht in vielen Landratsämtern bereits eine Schreckvorstellung um: In nicht allzu ferner Zukunft könnten sowohl die Arztpraxis als auch das örtliche Kreiskrankenhaus zur Schließung gezwungen sein.

    dpa cho yyby z2/a3

    mit freundlicher Genehmigung der dpa

     

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  • Strukturkonservatismus überwinden

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    Strukturkonservatismus überwinden

    Von Gunnar Göpel, Tagesspiegel Background, 07.07.2022

    Der Gesetzgeber will sektorenübergreifende Vergütungsmodelle stärker in den Fokus rücken und die Ambulantisierung der Versorgung stärken. Über den Erfolg wird vor allem entscheiden, ob die Ausgestaltung der Hybrid-DRGs letztendlich kostendeckende ambulante Eingriffe an Krankenhäusern ermöglicht. Der erlaubte Leistungsumfang könnte deutlich erweitert werden.

    Ambulantisierung für die Krankenhäuser ist kein Thema, an dem wir vorbeikommen oder vorbeikommen wollen“, sagte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), gestern bei einem Expertenforum zur Ambulantisierung stationärer Leistungen der RS Medical Consult GmbH in Berlin. „Reformen gelingen bei uns nicht, wenn ein großer Masterplan gemacht und umgesetzt wird.“ Reformen im deutschen Gesundheitswesen seien immer eine „evolutionäre Entwicklung“. Der DKG-Chef sprach von einem „großen Dilemma“, dass es keine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern darüber gebe, wie die Versorgungslandschaft in zehn Jahren aussehen solle.

    Ziel der Ambulantisierung müsse es sein, die niedergelassenen Ärzt:innen und Krankenhäuser „enger zusammenzubringen“ und „unter dem Dach des Krankenhauses“ Leistungen zu erbringen, weil dort „die Infrastruktur und das interdisziplinäre Potential“ sei. „Dann können wir der Bevölkerung neue Versorgungsangebote machen, eine Dynamik in das System bringen und ein Stück weit selbststeuernde Effekte herbeiführen“, so Gaß.

    Krankenhausplanung werde irrational diskutiert, daher brauche es einen geordneten Strukturwandel unter Einbindung der Länder, sagte Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). „Diese Transformation wird Geld kosten.“ Und „Bundesmittel in die Hand zu nehmen“, sei die „beste Möglichkeit die Länder mitzunehmen“. Darüber könnte ein Strukturwandel angeschoben werden, wenn bestimmte Kriterien erfüllt würden. „Sonst passiert nichts – egal welcher Gesundheitsminister von welcher Partei Reden hält.“ Auch Boris Augurzky, Geschäftsführer des Institute for Health Care Business und Mitglied der Regierungskommission zur Krankenhausreform, beschrieb als Zielbild die Frage, wie möglichst viel Gestaltungsfreiheit auf die regionale Ebene gegeben werden könne. Dabei müsste aber nicht nur über die im Koalitionsvertrag angekündigten Hybrid-DRGs nachgedacht werden, sondern auch über Investitions- und Vorhaltefinanzierung.

    Erweiterung des AOP-Katalogs: Nur ein Baustein

    Krankenhäuser in Deutschland dürfen seit 1993 ambulante Behandlungen durchführen – das Verzeichnis der entsprechenden Eingriffe ist seitdem weitgehend unverändert. Das IGES Institut hat inzwischen Vorschläge für die Erweiterung des Katalogs ambulant durchführbarer Operationen (AOP) vorgelegt. Statt bislang 2.879 Leistungen könnte der AOP-Katalog um 2.476 neue Leistungen auf insgesamt 5.355 Leistungen anwachsen – von insgesamt rund 30.000 Operationen- und Prozedurenschlüsseln (OPS-Kodes). Der Gesetzgeber will, dass der Katalog substanziell erweitert wird. Das legte er mit dem Anfang 2020 in Kraft getretenen MDK-Reformgesetz fest.

    Erarbeitet wurden die Vorschläge in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Gesundheitsforschungsinstitut Gesundheit Österreich im Rahmen eines Gutachtens für die Kassenärztliche Bundesvereinigung, den GKV-Spitzenverband sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Die drei Organisationen der Selbstverwaltung vereinbaren den AOP-Katalog sowie eine für Krankenhäuser und niedergelassene Vertragsärzt:innen einheitliche Vergütung der darin enthaltenen Leistungen. Die meisten der für eine Erweiterung vorgeschlagenen Leistungen, rund 60 Prozent (1.482 Leistungen), sind vor allem Operationen an der Haut, am Auge sowie am Muskel- und Skelettsystem.

    „Manche von uns empfinden das IGES-Gutachten als Bedrohung, aber wir sollten es positiv sehen und nutzen“, sagte Gaß. Es brauche aber eine klare Abgrenzung von Leistungen im AOP-Katalog, die nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) vergütet werden, und klinisch-ambulanten Leistungen, für die eine Vergütung über Hybrid-DRGs unterhalb der vollstationären Vergütung vorstellbar sei, so Gaß.

    Gaß, Hecken und Augurzky waren sich gestern einig, dass eine Vergütung der Leistungen im AOP-Katalog nach dem ambulanten EBM keine gute Idee sei. In den heutigen Strukturen könne ein Krankenhaus nicht effizient ambulant operieren. „Die haben ganz andere Betriebsabläufe“, sagte Hecken. Augurzky empfahl, ebenso wie Krankenhausmanager Gaß, nach der Einführung von Hybrid-DRGs eine Übergangsphase von drei oder fünf Jahren. Das sei nötig, damit Kliniken nicht durch plötzliche Erlöslücken „umkippen würden“. Er könne sich auch vorstellen, dass die komplex-ambulanten DRG/Hybrid-DRGs im ersten Jahr sogar besser vergütet würden als die vollstationäre Vergütung über DRGs, „da mit der Umstellung auf die ambulanten Prozesse auch Investitionen verbunden sind“, sagte Augurzky.

    Ambulantisierung braucht gute Nachsorge

    Das IGES-Gutachten, berichtete Martin Albrecht, Geschäftsführer Gesundheitspolitik des Instituts, habe auch gezeigt, dass es in den europäischen Vergleichsländern keine einheitliche Abgrenzung zwischen ambulant und stationär gebe. Stattdessen gebe es „vielschichtige Kriterien“, die nie rein medizinisch seien. Oftmals spielten auch die länderspezifische Historie oder zeitliche Aspekte (etwa die Narkosedauer) eine Rolle. Die Ambulantisierung in Europa erfolge oft innerhalb von Krankenhäusern; in den USA auch dynamischer aus Krankenhäusern heraus über Klinikambulanzen, ambulante OP-Praxen und Arztpraxen. Die weitreichende Ambulantisierung in den USA habe das System nicht preiswerter gemacht, führte Thomas Manksy, Bereichsleiter Gesundheitspolitik am IGES Institut, weiter aus. Für den Markt ambulanter Operationszentren werde dort ein Wachstum von sechs bis sieben Prozent jährlich erwartet. Dies habe das Interesse von Investoren geweckt. Für Deutschland ergebe sich aus den internationalen Erfahrungen, dass das System hinreichend differenziert werden müsse, um „das Rosinenpicken zu vermeiden“.

    In jedem Behandlungsfall, so Mansky weiter, sei eine Prüfung des Behandlungskontextes, ob eine ambulante Behandlung bei den jeweiligen Patient:innen angebracht sei, „zwingend erforderlich“, denn OPS-Kodes enthielten in der Regel keine Informationen über behandelte Grund- oder Begleiterkrankungen. Auch müsse bei der Ambulantisierung eine „gute, systematisierte Nachsorge“ mitgedacht werden. Dafür brauche es Kooperationen mit ambulanten Diensten und Anbietern.

     Und, im Sinne der Qualitätssicherung, würden Krankenhausschließungen wohl nicht ausbleiben können. Derzeit, so Mansky, würden Strukturen finanziert, die nicht zukunftsfähig seien und auch nicht gebraucht würden. Allein in Berlin gebe es 63 Krankenhäuser, wovon 40 Herzinfarkte versorgten und die Charité deshalb über so wenig Fälle verfüge, dass sie sich keinen Anwesenheitsdienst für Herzkatheter leisten könne. „Das ist doch pervers. In den besten Einrichtungen, die wir haben, können wir die Qualität, die wir eigentlich auf die Straße bringen können, nicht sicherstellen, weil die Auslastung nicht stimmt“, kritisierte Mansky. Die Qualitätssicherung der ambulanten Behandlungen an Krankenhäusern dürfe zudem das medizinische Personal nicht mit weiteren Dokumentationspflichten belasten. Stattdessen empfahl er eine Qualitätssicherung über die Routinedaten bei Krankenkassen.

    Es wäre schon jetzt mehr möglich

    Schon jetzt, erinnerte Hecken, gebe es bereits eine ganze Menge an möglichen ambulanten Versorgungsformen im Krankenhaus – zum Beispiel geriatrische Institutsambulanzen oder sozialpädiatrische Zentren, „die aber selbst der Fachöffentlichkeit zum Teil unbekannt sind und da wissen sie, dass diese nicht reüssieren“. Auch über das Ausbaupotential der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) sprach Hecken. Dabei gebe es weiterhin eine „hohe Beteiligung der Krankenhäuser auf niedrigem Niveau der Ausgaben“, während der ambulante Bereich sich eher zurückhaltend beteilige. Hindernisse bei der Umsetzung der ASV gebe es immer noch viele – darunter ein aufwendiges Antragsverfahren mit deutlichen Unterschieden zwischen den Bundesländern, einen „starren Ziffernkranz der abzurechnenden Leistungen“, welcher etwa die Versorgung von Komorbiditäten einschränke, und die fehlende Steuerung und Koordination der Versorgung des Patienten durch Case Manager, Lotsen oder Netzwerkmanager. Die ASV-Teamleiter seien hierfür ungeeignet, so Hecken, da es keine gemeinsame Patientenakte gebe und sie die meisten Patient:innen nie zu Gesicht bekämen.

     

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